TEIL III- Tag 5 (vor dem offiziellen Corona-Testergebnis)

Tag 5 (vor dem offiziellen Corona-Testergebnis)

In der Nacht von Samstag auf Sonntag haben wir beide schlecht geschlafen. Am Morgen zeigt ein weiterer Corona-Test (dieses Mal noch haltbar bis 2024) zwei rote Balken an. Ingrid hat Corona. Über zwei Jahre lang haben wir uns dort mit Masken geschützt, wo es verlangt wurde oder notwendig war. Wir haben Kontakte eingeschränkt und ein Weihnachtsfest 2020 verbracht wie nie zuvor. Es fehlte dieser Glanz und die Freude im Herzen, die unsere Familie die letzten fünf Jahrzehnte an Heiligabend und den beiden Weihnachtstagen sonst zusammen erlebt hat. Wir hatten es irgendwie geschafft, seit Ausbruch von Covid-19, einer Infektion zu entgehen. Und jetzt, trotz oder nach drei Impfungen hat es auch uns erwischt, dieses dämliche und für manche sogar todbringende Virus. Ich habe immer Angst davor gehabt, dass es so weit kommt. Immer gehofft, wir blieben verschont. Aber es sollte nicht sein. Ingrid und ich sitzen am Esstisch und schauen sprachlos auf die beiden dünnen roten Linien. Fragen uns, wer der Übertrager war. Wir lassen die Zeit revuepassieren und gehen alle Begegnungen der zurück liegenden Tagen nach einem oder einer Schuldigen durch. Es gibt einige potenzielle Verursacher. Aber sind wir nicht selber schuld? Wir waren nachlässig geworden. Und jetzt müssen wir da durch. Doch noch ist nicht Schicht im Schacht. Ingrid fragt, blass und sichtlich erschüttert: „Vielleicht war auch dieser Test falsch. Erst ein PCR-Test ergibt ein echtes Ergebnis!“ Ich schlage Ingrid vor, gleich einen Corona-Test in einer der zahlreichen Teststationen in Bad Oldesloe durchführen zu lassen. Die weinerliche Ablehnung darüber zeigt ihren physischen Zustand auf. Sie beteuert, dass es ihr so weit gut gehe. Ich selbst muss raus. Vor die Tür. Ich fahre mit dem E-Roller zum Flohmarkt nach Bad Segeberg. Unterwegs gehen mir die Balken auf der Test-Kassette nicht aus dem Kopf. Wird es unser Leben verändern? Unsere Kinder haben beide eine Corona-Infektion schon überstanden. In unterschiedlicher Weise. Auch der Enkel.

Viele haben auf dem Flohmarkt die Schutzmaske auf, so wie ich. Das ist beruhigend. Oft habe ich es als Makel angesehen, mit Maske rumzulaufen. Doch in der Gemeinschaft wird es erträglich. Zur Selbstverständlichkeit. Nach kurzer Zeit breche ich das Bummeln zwischen den Ständen bei strahlendem Sonnenschein ab. Mir ist schwindelig geworden und leicht schwankend schaffe ich mich zurück zum Fahrzeug. Ich reiße die Maske runter, trinke etwas Wasser und fahre durch den kühlen, sonnigen Tag zurück. Mensch, ist das Leben schön. Was haben wir uns alles aufgebaut. Ich bete für ein gutes Ende. Sicher erreiche ich die Wohnung. Ingrid hat sich durchgerungen und für die Teststation ausgesprochen. Ich finde im Internet ein Testcenter, das heute ganztägig geöffnet ist. Wir ziehen uns warm an und ich fahre zum einem Supermarkt. Drei junge Menschen halten sich im Test-Container auf. Ausgelassen unterhalten sie sich miteinander. Ihr könnt vergnügt sein, denke ich. Ihr seid jung und müsst keine Angst vor dem Virus haben. Es prallt an euch ab wie ein Flummi-Ball. Am Fenster hängt ein Schild: Pause. Wir warten. Innen wird telefoniert. Eine junge Frau spricht mit ihrem telefonischen Gegenüber über ein Date. Worte wie ,Sex‘ fallen. Sie bemerkt, dass ich zuhöre. Verlässt den Container. Ein junger Mann kommt ans Fenster und fragt freundlich, ob wir einen Termin haben. Wir haben keinen. Er bittet uns, über den an der Containerwand befindlichen QR-Code einzuloggen. Ingrid ist sichtlich überfordert. Sie schwankt zwischen Weinen und Fassungslosigkeit. Ich übernehme das Administrative. Meine Frau stimmt zu, dass ich in der App angebe, dass die Information über einen ggf. positiven PCR-Test an die zuständigen Stellen weitergegeben werden kann. Wir haben nichts zu verbergen. Das Ergebnis dazu wird ihr später per Mail mitgeteilt. Zunächst wird sie Antigen getestet. Der junge Mann macht seine Arbeit gut. Ingrids Bedenken über Schmerzen und Unannehmlichkeiten, was die Testdurchführung angeht, sind wie weggewischt. Ihre Laune bessert sich. Sie strahlt schon wieder. Umgang mit freundlichen Menschen ist der Schlüssel. Die Sonne scheint noch immer und wir stehen vor dem Container und warten auf das Ergebnis. Weitere Test-Kundschaft trifft ein. Ingrid schlägt vor, mich auch testen zu lassen. Die gerade so positive, schon fast ausgelassen Atmosphäre auf diesem fahrzeugfreien Supermarktparkplatz lässt mich die drei Euro opfern und ich melde mich digital an. Auch meine Testung verläuft nicht sonderlich unangenehm. Der etwa 20-Jährige versteht seinen Job tatsächlich und ich teile ihm das mit. Er freut sich über meine Worte. Ich lege einen Euro in die am Containerfenster angebrachte Blechdose.
Ingrids Test ist positiv. Meiner negativ.
Den Tatort am Abend finden wir bescheuert und schalten ihn vorzeitig ab. Es geht um Drogenpartys und als Krimiautor kann ich nicht glauben, was die Kommissare dort veranstalten. Wir wenden uns der letzten Folge von Goliath zu. Ich spüre eine gesundheitliche Verschlechterung. Kann aber auch nur Einbildung sein.

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